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19 05 2018 Michael Ludwigaufklärung

Das große ß

Der Buchstabe, den die Welt nicht braucht. Obwohl es ihn nie gegeben hat, gibt es ihn jetzt doch, die Frage ist nur, warum eigentlich.

Irgendwann vor langer, langer Zeit ist ein Schriftsetzer mal auf die Idee gekommen aus zwei Buchstaben des damaligen Alfabets einen neuen zu machen. Denn es geht schneller einen Buchstaben in die Form zu schmeißen, statt derer zwei. Und weil die Kombination aus 'langem s' und 'rundem (normalem) s' ziemlich häufig genutzt wurde, machte es natürlich auch Sinn, so einen neuen Buchstaben zu erfinden. Dabei entstand das 'normale s' aus einem 'weichen z', weshalb der Buchstabe so heißt wie er heiße: Es-Zett.

Ein Buchstabe, der aus zwei Buchstaben zusammengesetzt wird, den nennt man dann, so rein fachlich, nicht mehr 'Buchstabe' sondern 'Ligatur'. Davon gibt es mehrere und sie dienen dazu, die Satzzeit zu verkürzen und das Schriftbild harmonischer zu gestalten.

Satzzeit ist allerdings heute, in der Merkel'schen Neuland-Neuzeit, kein Thema mehr. Buchstaben aus Blei werden heutzutage nur noch ganz, ganz, ganz selten eingesetzt. Man tippt halt schnell zweimal die selbe Taste oder die 'Spezialtaste ß'. Schwupp-Di-Wupp alles schick, alles schön.

Was aber wenn der Gestalter sich entschieden hat, alles in Großbuchstaben zu setzen? Dann passiert folgendes: Aus dem kleinen 'ß' wird ein großes 'SS' oder in ganz besonderen Fällen wie der DDR und der Bundeswehr wurde daraus ein 'SZ'.

Das ist zum einen darin begründet, dass man keinen Großbuchstaben ß kannte (ß = Kombination aus zwei Kleinbuchstaben!). Jetzt ist das große Doppel-S in Deutschland negativ vorbelastet, weshalb man es nicht gerne verwendet. Zum anderen führt es ggf. zu Verwirrung, da von der Schreibweise u.U. die Bedeutung eines Wortes abhängt.

Maße und Masse ist ein perfektes Beispiel. Beides Einheiten, die in der DDR mit einem MESZGERÄT evaluiert werden konnten. Das 'ß' in Versalien durch 'SZ' zu ersetzen wurde vor geraumer Zeit als unüblich abgetan - und so blieb nur noch das große Doppel-S als Ersatz übrig. Interessanterweise wird es von der Allgemeinheit nur selten verwendet. Auf Fussballtrikots beispielsweise hieß K. Großkreutz immer GROßKREUTZ. Das liest sich so ein bisschen wie GROBKREUTZ und müsste eigentlich so geschrieben werden: GROSSKREUTZ. Ausser bei amtlichen Dokumenten, da gilt eine Sonderregelung.

Und weil es mehr Leute auf dem Planeten gibt, die nicht wissen, dass es das große ß nicht gibt, gibt es jetzt einen Buchstaben, den man 'das große ß' nennt. 

Erfreulicherweise findet man den neuen Großbuchstaben - der zwei Kleinbuchstaben darstellt - auf so gut wie keiner Tastatur und in den wenigsten Schriften. Freuen wir uns also weiterhin auf GROBE WURSTPLATTEN und weitere GROBARTIGE ANGEBOTE.

Hätte man doch die viele Zeit, die es in Anspruch genommen hat über das große ß zu diskutieren, dazu genutzt, den Kindern in der Schule die Verwendung von Großbuchstaben und deren Tücken zu erklären. Das Leben wäre für alle leichter - auch leichter zu lesen.

Die Einführung des große ß hat - das nur nebenbei bemerkt - über 100 Jahre gedauert. Seit Ende Juli 2017 ist das große ß nun Teil der deutschen Rechtschreibung.

So sieht es aus: 

Das war das erste und einzige Mal, dass dieser Buchstabe von mir verwendet wird. Da bin ich Oldschool. Er ist überflüßig wie der sprichwörtliche Kropf und gehört wieder abgeschafft - was wahrscheinlich wieder über 100 Jahre Diskutiererei benötigen dürfte. Bleibt also nur eines: Ignorieren.

typografie

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